CfP: Tagung „Was ist Grammatikalität?“ / Conference “What is grammaticality?“, Bamberg, 27.-29.6.2019

Tagung „Was ist Grammatikalität?“ / Conference “What is grammaticality?“
27.-29.6.2019
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

 

Organisation: Eleonore Schmitt und Annika Vieregge

 

Homepage: https://www.uni-bamberg.de/bagl/wig/

(English text see below)

 

„Was ist Grammatikalität?“ 

Das Ziel der Tagung ist es, neueste Forschungen zur Grammatikalität zusammenzubringen und zu reflektieren, welche Methoden geeignet sind, um Grammatikalität empirisch zu untersuchen. Dabei soll Grammatikalität weit gefasst werden und somit einerseits die Frage nach den Grenzen eines (oder mehrerer) Sprachsysteme verfolgt werden und andererseits die Frage danach, wie Sprecher_innen Grammatikalität begreifen.

Die Frage nach der Grammatikalität von Formen ist komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint, da Grammatikalität stets vor dem Hintergrund eines (oder mehrerer) Sprachsysteme bestimmt werden muss. Somit beinhaltet die Beschäftigung mit Grammatikalität stets implizit die Auseinandersetzung damit, was ein Sprachsystem ist, was in einem Sprachsystem möglich ist und wie es aufgebaut ist. Dies wird auch in der Grammatikschreibung deutlich, in der die Frage nach dem Status von Varianten immer zentraler wird (Hennig 2017). Die Frage „Was ist Grammatikalität?“ ist also eng verbunden mit der Frage „Was ist ein Sprachsystem?“. Dabei gilt es auch zu untersuchen, wie Grammatikalität und Akzeptabilität verwoben sind (Hundt 2005; Köpcke 2011) und welche Faktoren beeinflussen, ob grammatische Varianten existieren (Bybee 1985, 2011). Einzelne grammatische Variationsfälle wurden bereits vielfach untersucht (wie bspw. starke und schwache Verben von Nowak 2015), aber selten mit der Frage verknüpft, unter welchen Umständen eine sprachliche Struktur eine Variante oder eine ungrammatische Form darstellt. Zudem ist der Zusammenhang zwischen Grammatikalität und Optionalität und der Status optionaler Strukturen als grammatische oder lexikalische Varianten spannend. Weiterhin ergeben sich Fragen, wenn Grammatikalität mit Spracherwerb und Mehrsprachigkeit in Verbindung gebracht wird: Vor welchem Hintergrund sind Äußerungen von Sprachlerner_innen zu bewerten? Ist eine Struktur ungrammatisch, wenn diese Struktur in ei-nem Sprachsystem nicht vorgesehen ist, in einem anderen Sprachsystem, das ein_e Sprecher_in ebenfalls beherrscht, aber durchaus? Hier stellt sich auch die Frage, inwiefern Grammatikalität individuell bewertet werden muss.

Das erste Interessensgebiet der Tagung widmet sich diesen Fragen aus einer kognitiven und gebrauchsbasierten Perspektive. Zusätzlich können folgende Fragen betrachtet werden:

– Wie lassen sich Grammatikalität und Sprachsysteme theoretisch bestimmen?

– Welche Methoden können genutzt werden, um theoretische Überlegungen zu Grammatikalität und Sprachsystemen zu überprüfen?

– Wie stehen Sprachwandel und Grammatikalität zueinander? Kann jede Form durch Sprachwandel grammatisch werden?

– Wie interagieren Grammatikalität und das Wissen über mehrere Sprachsysteme?

– Wie entwickelt sich Grammatikalität im Spracherwerb?

– Lässt sich das Konzept der Grammatikalität auch auf lexikalische Gebiete wie Redewendungen und Metaphern übertragen?

Das zweite Interessensgebiet der Tagung ist der Blick der Sprachbenutzer_innen auf Grammatikalität. Hier haben die Labels grammatikalisch richtig und grammatikalisch falsch nicht die Funktion, die Grenzen des Sprachsystems abzustecken, sondern werden etwa dafür genutzt, bestimmte sprachliche Phänomene und ihre Verwender_innen zu stigmatisieren (vgl. ARENDT/KIESENDAHL 2015: 123). Dass eine Unterteilung in richtig und falsch in diesem Fall weniger auf Faktoren wie Frequenz beruht als vielmehr auf sozialsymbolischen Zuschreibun-gen und der Standardsprachideologie (vgl. MILROY 2007: 134–135; SILVERSTEIN 2017: 141), zeigen zahlreiche Beispiele wie etwa die Stigmatisierung der Dativrektion bei Präpositionen wie wegen: Die Variante wegen dem wird mit niedriger Bildung oder Umgangssprachlichkeit assoziiert und oftmals schlicht als falsch abgetan (vgl. DAVIES/LANGER 2006: 210; LANGER 2013: 323). In Bezug auf Sprachideologien zu Grammatikalität können etwa folgende Fragen untersucht werden:

Mit welchen Funktionen werden Bezeichnungen wie ungrammatisch in metapragmatischen Diskursen eingesetzt?

Wie hängen Grammatikalität und Angemessenheit zusammen? Wird das, was als ungrammatisch bezeichnet wird, immer als unangemessen empfunden und umgekehrt?

Welches Verständnis haben Sprachbenutzer_innen von sprachlichen Normen?

(Wie) werden deskriptive Grammatiken rezipiert?

Wie werden Sprachsysteme von Sprachbenutzer_innen konzeptualisiert?

Keywords: Kognitive Linguistik, Psycholinguistik, Soziolinguistik, Sprachvariation, Erst-spracherwerb, Multilingualismus, Dialektologie, Sprachideologien, Metapragmatik

Konferenzsprachen sind sowohl Deutsch als auch Englisch.

Call Deadline: 31.12.2018, Rückmeldung bis zum 28.2.2019

Wir freuen uns auf Abstracts, die sich mit den genannten Fragen auseinandersetzen. Die Abstracts sollten eine Länge von 300 Wörtern nicht überschreiten. Einreichung per PDF an wig.bagl@uni-bamberg.de.

 

“What is grammaticality?” 

The workshop provides a forum for recent studies on grammaticality and aims to reflect which methods are suitable to study grammaticality empirically. Grammaticality is defined broadly for the purposes of the workshop: We are both interested in the boundaries of language systems and in the question of how speakers perceive grammaticality.

The question of whether a form is grammatical or not, or how grammatical it is, is more complex than one might think at first glance. Grammaticality needs to be determined against the backdrop of one (or several) language system(s). Hence, grammaticality implicitly includes several questions: What is a language system? What is possible in a language system? How is a language system structured? These questions are also important for grammar writing, which has developed an increased focus on the status of variants (Hennig 2017). Hence, the question “What is grammaticality?” is closely related to the question “What is a language system?” Thus, the interaction between grammaticality and acceptability needs to be addressed (Hundt 2005; Köpcke 2011) as well as the question on which factors influence whether grammatical variants exist (Bybee 2005, 2011). Several studies already examined cases of variation (for instance Nowak 2015 on strong and weak verbs in German), but they are rarely linked to the question whether a certain form is a variant or an ungrammatical structure. In addition, the connection between grammaticality and optionality has to be taken into account as well as the status of optional structures as grammatical or lexical variants. Additionally, questions arise when grammaticality is connected with language acquisition and multilingualism: How can utterances of language learners be evaluated with regard to grammaticality? Is a structure ungrammatical if the structure is not part of a certain language system but of another system that a speaker knows as well? Here, the question arises whether grammaticality needs to be evaluated on an individual level.

The first area of interest of the conference deals with these questions from a cognitive and usage-based perspective. Additionally, the following questions can be addressed:

How can grammaticality and language systems be determined theoretically?

Which methods can be used to test theoretical approaches to grammaticality and language systems?

How do language change and grammaticality relate to each other? Can every form become grammatical through language change?

How do grammaticality and the knowledge of several language systems interact?

How can grammaticality and language acquisition interact?

Can the concept of grammaticality be transferred to lexical phenomena like idiomatic phrases and metaphors?

The second focus of interest is the way speakers conceptualize grammaticality. Here, labels like correct or incorrect grammar usually do not have the function of determining the limits of language systems from a descriptive point of view, but are used to stigmatize certain language phenomena and people using these forms (cf. ARENDT/KIESENDAHL 2015: 123). Many exam-ples show that the distinction between “right” and “wrong” is not determined by factors like frequency but rather based on social-symbolic ascriptions and the standard ideology (cf. MILROY 2007: 134–135; SILVERSTEIN 2017: 141). This can be seen for speech phenomena like the split infinitive and double negation in English: these forms are associated with colloquial speech and are often regarded as wrong (cf. EBNER 2018: 223; TIEKEN-BOON VAN OSTADE 2018: 193). Regarding language ideologies on grammaticality, the following questions can be addressed:

Which functions do terms like ungrammatical serve in metapragmatic discourse?

How do grammaticality and appropriateness interact? Is something that is seen as un-grammatical also seen as inappropriate and vice versa?

Which concept of language norms do language users have?

(How) do laypeople use and interpret descriptive grammars?

How are language systems conceptualized by language users?

Keywords: cognitive linguistics, psycholinguistics, sociolinguistics, language variation, first language acquisition, multilingualism, dialectology, language ideologies

Conference languages will be English and German.

Call Deadline: 31.12.2018, feedback will be given until the 28th of February 2019

We are looking forward to abstracts addressing the questions mentioned above. Abstracts should have a maximum length of 300 words and be sent as a PDF file to wig.bagl@uni-bamberg.de.

Literatur/References: 

Arendt, Birte/Kiesendahl, Jana (2015): Sprachkritische Äußerungen in Kommentarforen – Entwurf des Forschungsfeldes „Kritiklinguistik“. In: Niehr, Thomas (ed.): Sprachwissenschaft und Sprachkri-tik. Bremen: Hempen, 101–130.

Bybee, Joan L. (1985): Morphology. A study of the relation between meaning and form. Amsterdam, Philadelphia: J. Benjamins.

Bybee, Joan L. (2011): Language, use and cognition. Cambridge: Cambridge University Press.

Davies, Winifred/Langer, Nils (2006): The Making of Bad Language. Lay Linguistic Stigmatisations in German: Past and Present. Frankfurt a. M.: Lang.

Ebner, Carmen (2018): Concepts of Correctness and Acceptability in British English. Exploring Attitudes of Lay People. In: Pillière, Linda (ed.): Standardising English. Cambridge: Cambridge University Press, 213–233.

Hennig, Mathilde (2017): Grammatik und Variation im Spannungsfeld von Sprachwissenschaft und öf-fentlicher Sprachreflexion. In: Konopka, Marek; Wöllstein, Angelika (eds.): Grammatische Vari-ation. Empirische Zugänge und theoretische Modellierung. Berlin: de Gruyter, 23-46.

Hundt, Markus (2005): Grammatikalität – Akzeptabilität – Sprachnorm. Zum Verhältnis von Korpuslingu-istik und Grammatikalitätsurteilen. In: Lenz, Friedrich; Schierholz, Stefan J. (eds.): Corpuslin-guistik in Lexik und Grammatik. Tübingen: Stauffenburg,15-40.

Köpcke, Klaus-Michael (2011): Grammatikalität und Akzeptabilität – Zwei für den Grammatikunterricht zentrale Begriffe verstehen lernen. In: Köpcke, Klaus-Michael; Ziegler, Arne (eds.): Grammatik – Lehren, Lernen, Verstehen. Zugänge zur Grammatik des Gegenwartsdeutschen. Berlin: de Gruyter, 287-304.

Langer, Nils (2013): Sprachkritik und Sprachnormen – regionale, mediale und soziale Differenzierungen. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 60, 4, 321-335.

Milroy, James (2007): The ideology of the standard language. In: Llamas, Carmen; Mullany, Louise; Stockwell, Peter (eds.): The routledge companion to Sociolinguistics, 133–139.

Nowak, Jessica (2015): Zur Legitimation einer 8. Ablautreihe: eine kontrastive Analyse zu ihrer Entste-hung im Deutschen, Niederländischen und Luxemburgischen. Hildesheim: Olms

Silverstein, Michael (2017): Standards, Styles, and Signs of the Social Self. In: Journal of the Anthropo-logical Society of Oxford, 9, 1, 134–164.

Tieken-Boon v. Ostade, Ingrid (2018): The Grammatical Margins of Class. In: Pillière, Linda (ed.): Stand-ardising English. Cambridge: Cambridge University Press, 193–212.

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